Am 1. Januar 2017
folgte António Guterres (PS/SI-PA) auf Ban Ki-moon im Amt des UN-Generalsekretärs. Zuvor war er bereits portugiesischer Premierminister (1995-2002), Vorsitzender der Sozialistischen Internationale (1999-2005) sowie UN-Hochkommissar für Flüchtlinge (2005-2015). Der folgende Artikel rekapituliert das Verfahren, nach dem Guterres in sein neues Amt gewählt wurde.
Die formalen Vorgaben für die Wahl des UN-Generalsekretärs sind sehr offen: Art. 97 der UN-Charta legt lediglich fest, dass er „auf Empfehlung des Sicherheitsrats von der Generalversammlung ernannt“ wird. In der Praxis hatte das bislang so ausgesehen, dass der Sicherheitsrat nur einen einzelnen Kandidaten vorschlug, der dann von der Generalversammlung ohne weitere Aussprache bestätigt wurde.
2016 wurde
jedoch erstmals ein
neues, strukturierteres Verfahren angewandt, das die Wahl transparenter machen sollte. Insbesondere sollte dadurch eine intensivere öffentliche Debatte erreicht werden, die nicht nur von den Interessen der Sicherheitsratsmitglieder geprägt ist, sondern in der die Weltgesellschaft insgesamt ihre Erwartungen an den neuen Generalsekretär zum Ausdruck bringen kann.
Wesentlich vorangetrieben wurde die Einführung des neuen Verfahrens durch zivilgesellschaftliche Gruppen, insbesondere 1for7billion und The Elders. In der UN-Generalversammlung wurde es vor allem von der ACT-Gruppe und der Bewegung der blockfreien Staaten unterstützt. Unter den ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrats zeigte sich Großbritannien für die Reform aufgeschlossen, während Frankreich, die USA, Russland und China ihr skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen.
Die formalen Vorgaben für die Wahl des UN-Generalsekretärs sind sehr offen: Art. 97 der UN-Charta legt lediglich fest, dass er „auf Empfehlung des Sicherheitsrats von der Generalversammlung ernannt“ wird. In der Praxis hatte das bislang so ausgesehen, dass der Sicherheitsrat nur einen einzelnen Kandidaten vorschlug, der dann von der Generalversammlung ohne weitere Aussprache bestätigt wurde.
Das neue Verfahren
Wesentlich vorangetrieben wurde die Einführung des neuen Verfahrens durch zivilgesellschaftliche Gruppen, insbesondere 1for7billion und The Elders. In der UN-Generalversammlung wurde es vor allem von der ACT-Gruppe und der Bewegung der blockfreien Staaten unterstützt. Unter den ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrats zeigte sich Großbritannien für die Reform aufgeschlossen, während Frankreich, die USA, Russland und China ihr skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen.
Eine Art öffentlicher Wahlkampf
Allerdings war die Teilnahme an dem neuen Verfahren nicht verpflichtend. Es gab keine feste Frist, bis zu der die Kandidaten von ihrer Regierung nominiert werden mussten, und auch die Anhörungen in der Generalversammlung waren freiwillig. Dadurch war es möglich, dass die bulgarische Regierung Kristalina Georgieva erst Ende September nachnominierte, nachdem die ursprüngliche bulgarische Kandidatin Irina Bokova in Probeabstimmungen des Sicherheitsrats schlechter als erwartet abgeschnitten hatte. Auch Georgieva stellte sich aber Anfang Oktober noch einer Anhörung in der Generalversammlung.
Straw polls im Sicherheitsrat
Im nächsten Schritt
musste nun der UN-Sicherheitsrat einen der Kandidaten zur Wahl durch
die Generalversammlung vorschlagen. Dafür ist eine Mehrheit von neun
der fünfzehn Sicherheitsratsmitglieder notwendig, wobei die fünf ständigen
Mitglieder (USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien) über
ein Vetorecht verfügen. Die derzeitigen nicht-ständigen Ratsmitglieder sind die Regierungen von Ägypten, Angola, Japan, Malaysia, Neuseeland, Senegal, Spanien, der Ukraine, Uruguay und Venezuela.
Um das Bewerberfeld auszudünnen, führte der
Sicherheitsrat – wie schon bei früheren Generalsekretärswahlen – zunächst informelle Probeabstimmungen durch. Bei diesen sogenannten straw polls konnten die Mitglieder des Sicherheitsrats den Bewerbern
zu einer Fortsetzung ihrer Kandidatur „zuraten“ (encourage) oder „abraten“ (discourage) bzw. sich enthalten. Die straw polls
sind
eigentlich nicht-öffentlich; nur die Mitglieder des Sicherheitsrats
und die Kandidaten selbst wurden über die Ergebnisse informiert. In
der Praxis dauerte es allerdings stets nur kurz, bis
die Ergebnisse auch an die Presse durchsickern.
Insgesamt fanden von Ende Juli bis Anfang Oktober sechs solche straw polls statt,
wobei zunächst nicht zwischen ständigen und nicht-ständigen
Ratsmitgliedern unterschieden wurde. Erst bei der letzten Probeabstimmung am 5. Oktober waren die Stimmzettel der ständigen Mitglieder durch eine besondere Farbe gekennzeichnet, sodass
etwaige Vetodrohungen deutlich wurden.
Gewinner in allen sechs Probeabstimmungen war António Guterres, der überdies bei der letzten keine Gegenstimmen – und damit auch keine Vetodrohung – erhielt. Der Sicherheitsrat hat ihn deshalb am 6. Oktober formal zur Wahl vorgeschlagen. Am 13. Oktober wurde diese
„Empfehlung“ von der Generalversammlung per Akklamation bestätigt, sodass Guterres nun als der neue Generalsekretär der Vereinten Nationen feststeht.
Wünsche an das
Profil des nächsten Generalsekretärs
Was
das Profil
des Generalsekretärs betrifft, wurden
von verschiedenen Seiten
Wünsche geäußert. Vielfach wurde die Forderung laut,
dass diesmal – nach acht Männern – erstmals eine Frau dieses Amt
bekleiden sollte. Außerdem
reklamierte die osteuropäische
UN-Regionalgruppe das Amt für einen
ihrer Staatsangehörigen, da
alle übrigen vier Regionalgruppen bereits
in der Vergangenheit einen oder
mehrere Generalsekretäre
gestellt hatten.
Um dem Generalsekretär mehr
politisches Gewicht zu geben, wurde
ferner
verschiedentlich
vorgeschlagen, dass es sich um einen früheren Staats- oder
Regierungschef handeln sollte, der zudem umfangreiche Erfahrung mit dem UN-System besäße.
Allerdings konnten die Mitglieder des Sicherheitsrats selbst
entscheiden, inwieweit sie bei der Auswahl auf die genannten Wünsche
eingingen: Formale
Bedingungen gab es nicht. Eine Übersicht über die Stärken und Schwächen der
aussichtsreichsten Kandidaten vor dem letzten straw poll
ist hier
zu finden.
Übersicht
Die folgende Tabelle bietet einen Überblick über alle Kandidatinnen und Kandidaten und ihre Ergebnisse in den bisherigen Probeabstimmungen. (8:4 bedeutet dabei: 8 encourage-Stimmen, 4 discourage-Stimmen. Die Differenz zu 15 entspricht der Zahl der Enthaltungen, in diesem Beispiel also 3.) Die Kandidaten sind in der Reihenfolge ihres Ergebnisses bei der bislang letzten Probeabstimmung gelistet. Für die letzte Probeabstimmung sind in Klammern die Ergebnisse der fünf ständigen Mitglieder gesondert ausgegeben.
Kandidat | Land/ Regionalgruppe |
bisherige Tätigkeit | 21.7. | 5.8. | 29.8. | 9.9. | 26.9. | 5.10. |
António Guterres PS/SI-PA |
Portugal Westeuropa u.a. |
1995-2002 nat. Regierungschef 2005-15 UNHCR |
12:0 | 11:2 | 11:3 | 12:2 | 12:2 | 13:0 (4:0) |
Miroslav Lajčák SMER/SI |
Slowakei Osteuropa |
seit 2012 nat. Außenminister | 7:3 | 2:9 | 9:5 | 10:4 | 8:7 | 7:6 (2:2) |
Vuk Jeremić parteilos |
Serbien Osteuropa |
2007-12 nat. Außenminister 2012-13 Präsident der UN-Generalversammlung |
9:5 |
8:4 | 7:5 | 9:4 | 8:6 | 7:6 (2:3) |
Irina Bokova BSP/SI-PA | Bulgarien Osteuropa | seit 2009 UNESCO-Generaldirektorin |
9:4 | 7:7 | 7:5 | 7:5 | 6:7 | 7:7 (3:2) |
Helen Clark NZLP/PA | Neuseeland Westeuropa u.a. | 1999-2008 nat. Regierungschefin seit 2009 Leiterin des UNDP |
8:5 | 6:8 | 6:8 | 6:7 | 6:9 | 6:8 (1:3) |
Susana Malcorra Cambiemos/– |
Argentinien Lateinamerika |
2012-15 Leiterin UN Executive Office seit 2015 nat. Außenministerin |
7:4 | 8:6 | 7:7 | 7:7 | 7:7 | 5:7 (2:1) |
Kristalina Georgieva GERB/IDU |
Bulgarien Osteuropa | 2009-14 EU-Kommissarin für humanitäre Hilfe seit 2014 EU-Kommissarin für Haushalt und Personal |
Ende September nachnominiert | 5:8 (2:2) |
||||
Danilo Türk parteilos | Slowenien Osteuropa | 2007-12 nat. Staatspräsident | 11:2 |
7:5 | 5:6 | 7:6 | 7:7 | 5:8 (1:4) |
Srgjan Kerim parteilos | Mazedonien Osteuropa | 2000-01 nat. Außenminister 2007-08 Präsident der UN-Generalversammlung |
9:5 | 6:7 | 6:7 | 8:7 | 6:9 | 5:9 (2:3) |
Natalia Gherman PLDM/IDU |
Moldawien Osteuropa | 2013-16 nat. Außenministerin | 4:4 | 3:10 | 2:12 | 3:11 | 3:11 | 3:11 (1:3) |
Christiana Figueres PLN/SI | Costa Rica Lateinamerika | 2010-16 Generalsekretärin UNFCCC |
5:5 | 5:8 | 2:12 | 5:10 | Kandidatur zurückgezogen | |
Igor Lukšić DPS/SI-PA | Montenegro Osteuropa | 2010-12 nat. Regierungschef seit 2012 nat. Außenminister |
3:5 | 2:6 | Kandidatur zurückgezogen | |||
Vesna Pusić HNS/LI |
Kroatien Osteuropa |
2011-16 nat. Außenministerin |
2:11 | Kandidatur zurückgezogen |
Quelle für die Resultate der Probeabstimmungen: 1for7billion.
Bild: UN Geneva/Jean-Marc Ferré [CC BY-NC-ND 2.0], via Flickr; eigene Grafik.
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