I affect not reserves which I do not feel. I will not amuse you with an appearance of deliberation when I have decided. I frankly acknowledge to you my convictions and I will freely lay before you the reasons on which they are founded.
The Federalist Papers, No. 1
Auf die Frage, warum es überhaupt supranationale Integration braucht, hört man von den Anhängern der „europäischen Idee“ leider allzu oft nur wenig überzeugende Argumente. So heißt es gern, dass die Europäische Union, der Binnenmarkt, die Währungsunion uns wirtschaftlichen Nutzen bringt – oder man verweist mit Pathos auf den Frieden in Europa, der durch die EU gesichert würde. Beide Argumente sind zweifellos richtig, greifen aber ein wenig zu kurz.
Wohlstand und Frieden genügen nicht als Argument
Sicher wäre jedes europäische Land, insbesondere Deutschland, ohne die EU ärmer. Aber die EU ist heute in ihren Kompetenzen und ihrer Funktionsweise längst über die alte Wirtschaftsgemeinschaft hinausgewachsen, und es ist wenig sinnvoll, jede ihrer Maßnahmen nur nach deren ökonomischen Nutzen zu bewerten.
Und sicher war die europäische Integration in den 1950er Jahren maßgeblich für die deutsch-französische Aussöhnung und macht bis heute europäische Binnenkriege unmöglich. Aber nach allem, was wir aus der Konfliktforschung wissen, würde es für die Kriegsvermeidung eigentlich schon genügen, dass alle europäischen Staaten nach innen demokratisch sind. Die heutige EU lässt sich allein damit nicht rechtfertigen, und eine weitere Supranationalisierung erst recht nicht: Denn wohin soll der scheinbar niemals endende Integrationsprozess führen und warum sollten sich die europäischen Bürger darauf einlassen, wenn doch die Ziele, die man damit erreichen will, schon längst erreicht sind?
Wohlstand und Frieden genügen nicht als Argument
Sicher wäre jedes europäische Land, insbesondere Deutschland, ohne die EU ärmer. Aber die EU ist heute in ihren Kompetenzen und ihrer Funktionsweise längst über die alte Wirtschaftsgemeinschaft hinausgewachsen, und es ist wenig sinnvoll, jede ihrer Maßnahmen nur nach deren ökonomischen Nutzen zu bewerten.
Und sicher war die europäische Integration in den 1950er Jahren maßgeblich für die deutsch-französische Aussöhnung und macht bis heute europäische Binnenkriege unmöglich. Aber nach allem, was wir aus der Konfliktforschung wissen, würde es für die Kriegsvermeidung eigentlich schon genügen, dass alle europäischen Staaten nach innen demokratisch sind. Die heutige EU lässt sich allein damit nicht rechtfertigen, und eine weitere Supranationalisierung erst recht nicht: Denn wohin soll der scheinbar niemals endende Integrationsprozess führen und warum sollten sich die europäischen Bürger darauf einlassen, wenn doch die Ziele, die man damit erreichen will, schon längst erreicht sind?
Das Demokratiedefizit der unabhängigen Nationalstaaten
Der entscheidende Grund für die supranationale Integration ist ein anderer. Worum es geht, ist das frappierende Demokratiedefizit jedes Systems unabhängiger Nationalstaaten. Denn jeder Nationalstaat ist ja demokratisch nur nach innen: Er gesteht seinen Staatsbürgern gleiche Partizipationsrechte zu und hat deshalb die Legitimation, gesellschaftliche Probleme zu lösen, die die Gesamtheit seiner Staatsbürger betreffen. Die sozialen Verflechtungen aber machen an Staatsgrenzen nicht halt: Bürger verschiedener Länder machen miteinander Geschäfte, konkurrieren miteinander, verschmutzen einander Luft und Gewässer, heiraten einander und wollen an Schulen und Universitäten voneinander lernen.
Dadurch werden staatenübergreifende politische Regelungen erforderlich, für die die souveränen Nationalstaaten der Vergangenheit das Völkerrecht und die Diplomatie entwickelt haben. Dieses Instrument genügte, solange die Gesellschaften verschiedener Staaten noch weitgehend abgeschottet gegeneinander waren: Wichtige politische Fragen wurden im nationalen Rahmen demokratisch entschieden – für die wenigen Probleme, die darüber hinausgingen und eine internationale Regelung verlangten, vertraute man sich einer funktionalen Elite in den Außenministerien der Welt an.
Diplomatie im Dilemma zwischen Effizienz und Legitimation
Doch je enger sich die Gesellschaften verwoben, desto öfter zeigten sich die Probleme einer diplomatischen Entscheidungsfindung zwischen Regierungen, die jeweils nur ihrer eigenen nationalen Bevölkerung verantwortlich sind: Zum einen ist sie wenig effizient, da die einzelnen Regierungen nicht die bestmögliche Lösung für alle Bürger, sondern nur für die ihres eigenen Landes im Blick haben und deshalb oft bereit sind, als Trittbrettfahrer ihren Eigennutz auf Kosten der Gesamtheit zu steigern. Zum anderen schränkt sie die Partizipation der Bürger ein, denn die haben durch ihr Wahlrecht nur Einfluss auf die jeweils eigene Regierung – nicht auf all die anderen, die ebenfalls an den Entscheidungen beteiligt sind.
Diese beiden Nachteile sind komplementär; minimiert man den einen, so verschärft sich der andere: Betont man das Recht zur demokratischen Selbstbestimmung, indem man international nur auf informelle Kooperation setzt und bei allen Entscheidungen ein Vetorecht der nationalen Parlamente beibehält, so steigt die Gefahr, dass grenzüberschreitende Probleme überhaupt keine Lösung finden. Erhöht man dagegen die Effizienz der Diplomatie, indem man im Rahmen internationaler Organisationen Entscheidungen im Mehrheitsverfahren trifft oder an spezielle Ausschüsse und Komitees delegiert, dann vermindert man damit umso mehr den Einfluss der einzelnen Bürger.
Der entscheidende Grund für die supranationale Integration ist ein anderer. Worum es geht, ist das frappierende Demokratiedefizit jedes Systems unabhängiger Nationalstaaten. Denn jeder Nationalstaat ist ja demokratisch nur nach innen: Er gesteht seinen Staatsbürgern gleiche Partizipationsrechte zu und hat deshalb die Legitimation, gesellschaftliche Probleme zu lösen, die die Gesamtheit seiner Staatsbürger betreffen. Die sozialen Verflechtungen aber machen an Staatsgrenzen nicht halt: Bürger verschiedener Länder machen miteinander Geschäfte, konkurrieren miteinander, verschmutzen einander Luft und Gewässer, heiraten einander und wollen an Schulen und Universitäten voneinander lernen.
Dadurch werden staatenübergreifende politische Regelungen erforderlich, für die die souveränen Nationalstaaten der Vergangenheit das Völkerrecht und die Diplomatie entwickelt haben. Dieses Instrument genügte, solange die Gesellschaften verschiedener Staaten noch weitgehend abgeschottet gegeneinander waren: Wichtige politische Fragen wurden im nationalen Rahmen demokratisch entschieden – für die wenigen Probleme, die darüber hinausgingen und eine internationale Regelung verlangten, vertraute man sich einer funktionalen Elite in den Außenministerien der Welt an.
Diplomatie im Dilemma zwischen Effizienz und Legitimation
Doch je enger sich die Gesellschaften verwoben, desto öfter zeigten sich die Probleme einer diplomatischen Entscheidungsfindung zwischen Regierungen, die jeweils nur ihrer eigenen nationalen Bevölkerung verantwortlich sind: Zum einen ist sie wenig effizient, da die einzelnen Regierungen nicht die bestmögliche Lösung für alle Bürger, sondern nur für die ihres eigenen Landes im Blick haben und deshalb oft bereit sind, als Trittbrettfahrer ihren Eigennutz auf Kosten der Gesamtheit zu steigern. Zum anderen schränkt sie die Partizipation der Bürger ein, denn die haben durch ihr Wahlrecht nur Einfluss auf die jeweils eigene Regierung – nicht auf all die anderen, die ebenfalls an den Entscheidungen beteiligt sind.
Diese beiden Nachteile sind komplementär; minimiert man den einen, so verschärft sich der andere: Betont man das Recht zur demokratischen Selbstbestimmung, indem man international nur auf informelle Kooperation setzt und bei allen Entscheidungen ein Vetorecht der nationalen Parlamente beibehält, so steigt die Gefahr, dass grenzüberschreitende Probleme überhaupt keine Lösung finden. Erhöht man dagegen die Effizienz der Diplomatie, indem man im Rahmen internationaler Organisationen Entscheidungen im Mehrheitsverfahren trifft oder an spezielle Ausschüsse und Komitees delegiert, dann vermindert man damit umso mehr den Einfluss der einzelnen Bürger.
Der Ausweg: supranationale Demokratie
Diesem Dilemma können wir nur entkommen, indem wir auf der überstaatlichen Ebene parlamentarische Entscheidungsverfahren einführen. Nur eine supranationale Demokratie ermöglicht es, dass politische Entscheidungen durch Mehrheitsabstimmungen getroffen werden und dass trotzdem die Bürger ihren Einfluss behalten, da die Entscheidungsträger von ihnen gewählt und ihnen deshalb verantwortlich sind. Was die Bewohner eines einzelnen Staates betrifft, soll von den Bewohnern dieses Staates entschieden werden. Was aber die Bewohner aller Staaten angeht, muss von den Bewohnern aller Staaten entschieden werden – oder von einem Parlament, das diesen verantwortlich ist.
Hier liegt das Verdienst der europäischen Integration und der Grund dafür, dass sie sich in künftigen Vertragsreformen fortsetzen muss, und zwar nicht in irgendeine Richtung, sondern in Richtung einer vollständigen überstaatlichen Föderation, in der eine europäische Regierung dem Europäischen Parlament und das Europäische Parlament der europäischen Bürgerschaft verantwortlich ist. Denn nur ein föderales Europa kann ein demokratisches Europa sein.
Hier liegt das Verdienst der europäischen Integration und der Grund dafür, dass sie sich in künftigen Vertragsreformen fortsetzen muss, und zwar nicht in irgendeine Richtung, sondern in Richtung einer vollständigen überstaatlichen Föderation, in der eine europäische Regierung dem Europäischen Parlament und das Europäische Parlament der europäischen Bürgerschaft verantwortlich ist. Denn nur ein föderales Europa kann ein demokratisches Europa sein.
Und übrigens auch nur eine föderale Welt eine demokratische Welt.
La via da percorrere non è facile, né sicura. Ma deve essere percorsa, e lo sarà!
Altiero Spinelli/Ernesto Rossi, Manifesto di Ventotene
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