10 November 2015

Wo stehen die europäischen Parteien in der Flüchtlingskrise?

Festung oder Hecke, das ist unter den Parteien der EU bis heute umstritten. Die Quote aber wollen fast alle.
Wenn in deutschen Medien in den letzten Wochen von einer parteipolitischen Auseinandersetzung über die Flüchtlingskrise zu lesen war, dann ging es fast immer um die sogenannten „Transitzonen“. Was es damit im Einzelnen auf sich hatte, blieb zwar meistens eher im Vagen. Klar war aber: Der Streit über die Transitzonen spaltete die deutsche Große Koalition aus CDU/CSU (EVP) und SPD (SPE) und schaukelte sich zum großen deutschen Aufregerthema des Monats Oktober hoch. Bis die Parteien dann vor einigen Tagen einen letztlich doch recht unspektakulären Kompromiss erzielten.

Fast überhaupt keine Rede war in der Öffentlichkeit indessen von den Positionen der gesamteuropäischen Parteien in der Flüchtlingsfrage – was umso bemerkenswerter ist, als sich doch eigentlich alle relevanten Akteure darin einig sind, dass eine Lösung der Krise nur im EU-Rahmen möglich sein wird. Ob es nun um einen besseren Schutz der Schengen-Außengrenzen geht, um eine fairere Verteilung der Asylbewerber zwischen den Mitgliedstaaten oder um neue Friedensbemühungen in Syrien: All diese Maßnahmen sind (allenfalls) gesamteuropäisch möglich und damit eher Sache von EVP und SPE als von CDU und SPD.

Interner Streit bei den beiden großen Parteien

Dass die Positionen der europäischen Parteien so wenig präsent sind, hat natürlich mehrere Ursachen. Zum einen berichten die Medien ganz generell nur sehr selten über die europäischen Parteien, aus Gründen, die ich an anderer Stelle näher beschrieben habe. Was den deutschen Koalitionsstreit so schlagzeilenträchtig machte, war ja vor allem, dass sich dabei so schön über die Zukunft der Regierung Merkel spekulieren ließ: Stürzt sie oder stürzt sie nicht? Vergleichbare Dramatik haben die europäischen Parteien nicht zu bieten – sie können nur auf politische Inhalte Einfluss nehmen, aber kaum auf die medienwirksamen Personaldebatten.

Zum zweiten sind allerdings auch die Parteipositionen selbst in einigen Punkten nicht ganz klar. Dies liegt zum Teil am Kalender: Oktober/November ist üblicherweise der Zeitraum, zu dem die europäischen Parteien ihre Parteitage abhalten, die dieses Jahr natürlich stark vom Thema Flüchtlingskrise geprägt sind. Im Fall der EVP fand dieser Parteitag bereits Ende Oktober statt; die liberale ALDE und die grüne EGP hingegen sind erst in den nächsten Wochen dran und befinden sich deshalb derzeit noch im Meinungsbildungsprozess.

Und schließlich kommt noch hinzu, dass gerade die beiden großen europäischen Parteien, EVP und SPE, in der Flüchtlingskrise intern zerstritten sind. Bei den Christdemokraten ist es das ungarische Mitglied Fidesz, bei den Sozialdemokraten die slowakische SMER, die eine deutlich härtere Gangart fordern, als ihre jeweilige europäische Mutterpartei einzuschlagen bereit ist. Im Vergleich etwa mit der Griechenlandkrise vor einigen Monaten, in der die europäischen Parteien recht klar unterscheidbare Linien vertraten, ist das Bild in der Flüchtlingsfrage deshalb verschwommener.

Unterschiede in den Parteipositionen

Trotzdem ist die Debatte auf europäischer Ebene inzwischen weit genug gediehen, um bestimmte Unterschiede in den Parteipositionen erkennen zu können. So hat die EVP auf ihrem Parteitag im Oktober eine recht detaillierte Liste mit Forderungen verabschiedet, und auch die SPE hat ihren Standpunkt in einer Erklärung des Parteipräsidiums deutlich gemacht. Die Grünen wiederum veröffentlichten im Vorfeld ihres Parteitags einen Artikel auf ihrer Homepage, in dem sie teils auf frühere Beschlüsse der Partei verwiesen.

In anderen Fällen waren es die Fraktionen im Europäischen Parlament, die gewissermaßen an Stelle ihrer Partei eine gemeinsame europäische Position formulierten. So verfasste die ALDE-Fraktion schon Ende September einen Maßnahmenkatalog, den sie den nationalen Regierungschefs zu beschließen empfahl. Bereits Anfang September wiederum verabschiedete das Europäische Parlament eine Resolution zur Flüchtlingskrise, in deren Vorfeld fast alle Einzelfraktionen Anträge mit ihren eigenen Vorschlägen formulierten – was einen Einblick in die Positionen auch der nationalkonservativen EKR, der linken GUE/NGL oder der rechtsextremen ENF-Fraktion ermöglicht.

Unterschiedliche Prioritäten

Wo aber stehen nun die Parteien in der Flüchtlingskrise? Liest man die verlinkten Dokumente, so zeigt sich ein erster markanter Unterschied darin, was die Parteien jeweils als „oberste Priorität“ bezeichnen: Für die EVP ist das „die Sicherheit der EU-Bürger und der Kampf gegen den Terrorismus“; für die SPE hingegen handelt es sich bei der Flüchtlingskrise „vor allem um eine humanitäre Notlage“. Die ALDE wiederum sieht die erste Priorität bei „den Flüchtlingen in Lagern in Drittstaaten“.

Mit diesen Schwerpunktsetzungen stecken die drei großen Parteien in gewisser Weise auch das Spektrum der Maßnahmen-Typen ab, über die in der Flüchtlingskrise auf europäischer Ebene diskutiert wird. Erstens handelt es sich dabei um sicherheitspolitische Schritte, um das europäische Grenzschutzregime zu stärken. Zweitens geht es um eine Reform der Dublin-Verordnung und andere Maßnahmen, um die Situation der Flüchtlinge innerhalb von Europa zu entspannen. Und drittens gibt es Vorschläge, mit außenpolitischen Mitteln dafür zu sorgen, dass sich die Flüchtlinge gar nicht erst auf den Weg nach Europa machen.

Rechts-Links-Gegensatz zum Grenzschutz

Insbesondere in der Frage des Grenzregimes zeigt sich dabei ein deutlicher Rechts-Links-Gegensatz auf europäischer Ebene. So sind sich EVP, ALDE und EKR einig, dass die EU-Grenzschutzagentur Frontex gestärkt werden soll. Nach Vorstellung der Christdemokraten soll es unter anderem eine eigenständige europäische Küstenwache geben; außerdem soll Frontex künftig stärker operativ tätig sein und zum Beispiel selbst Abschiebungen durchführen. Gleichzeitig soll die Grenzschutzagentur aber auch „solidaritätsbasierte Initiativen aus der Zivilgesellschaft […] kanalisieren und koordinieren“ – und damit künftig wohl eng mit Organisationen wie Pro Asyl zusammenarbeiten, bei denen sie schon heute kaum Sympathien genießt.

Und auch sonst hat die EVP eine ganze Reihe an Vorschlägen, wie die EU-Außengrenzen besser gegen irreguläre Einwanderung gesichert werden sollen. So wollen die Christdemokraten (wie auch die EKR) verstärkt darauf achten, dass die Eurodac-Verordnung umgesetzt wird, nach der von Asylbewerbern und anderen Migranten die Fingerabdrücke genommen werden. Außerdem will die EVP das von der Kommission vorgeschlagene „Smart Borders Package“ umsetzen, das unter anderem eine Registrierung sämtlicher Menschen, die in die EU ein- oder ausreisen, in einer europäischen Datenbank vorsieht.

EVP: Registrierzentren sollen Flüchtlinge vorsortieren

Des Weiteren will die EVP Mitgliedstaaten, die an Außengrenzen des Schengen-Raums liegen, künftig mehr EU-Finanzhilfen für den Grenzschutz zur Verfügung stellen – aber auch Vertragsverletzungsverfahren gegen sie eröffnen, wenn sie ihren vertraglichen Verpflichtungen beim Schutz der Außengrenzen nicht nachkommen. Explizit kritisiert die EVP dabei die linke griechische sowie die sozialdemokratische italienische Regierung. Das konservativ regierte Spanien hingegen beschreibt die EVP wiederholt als Vorbild für effektiven Grenzschutz.

Als weitere Maßnahme, um Flüchtlinge gar nicht erst nach Europa gelangen zu lassen, schlägt die EVP vor, dass Asylanträge künftig schon „an der EU-Außengrenze, oder noch besser außerhalb der EU“ gestellt und überprüft werden. Dafür sollen zum einen Registrierzentren (sogenannte „Hotspots“) in EU-Nachbarstaaten eingerichtet werden, die möglichst auch schon eine Vorsortierung zwischen politischen Flüchtlingen und Wirtschaftsmigranten vornehmen sollen. Zum anderen will die EVP auch „Sicherheitszonen mit Aufnahme- und Unterbringungszentren sowie Rückansiedlungsprogrammen […] möglichst in den Herkunftsländern“ der Flüchtlinge errichten.

SPE: Sichere und legale Wege zur Einreise in die EU

Demgegenüber wollen die linken Parteien vor allem mehr Möglichkeiten zur legalen Einwanderung schaffen. In deutlichem Gegensatz zur Sicherheitsrhetorik der EVP betont etwa die SPE, Migration sei „eine dringend benötige Chance für Europas Zukunft und keine Bedrohung“. Der Versuch, Menschen auszusperren, fördere letztlich nur die organisierte Schlepperkriminalität. Notwendig seien deshalb „sichere und legale Wege […], um europäischen Boden zu erreichen“ – etwa humanitäre Visa oder erleichterte Regeln zum Familiennachzug.

Ähnliche Forderungen erheben auch Grüne und Linke, wobei die EGP speziell auf die Richtlinie für vorübergehenden Schutz verweist. Diese Richtlinie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten bei einem Massenzustrom von Vertriebenen in die EU für einen begrenzten Zeitraum ein vereinfachtes Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels anwenden. Sie wurde 2001 unter dem Eindruck der Jugoslawien-Kriege verabschiedet, seitdem aber noch niemals aktiviert.

Auch die ALDE will, dass Flüchtlinge Asyl oder vorübergehenden Schutz künftig schon in den von der UN-Flüchtlingsbehörde UNHCR betriebenen Lagern in Drittstaaten beantragen können, um so die Gefahren bei der Einreise nach Europa zu vermindern.

Sichere Drittstaaten und Kampf gegen Menschenhandel

Umstritten ist auch die von der Kommission vorgeschlagene Einführung einer europäischen Liste „sicherer Herkunftsstaaten“, durch die insbesondere Asylanträge von Flüchtlingen aus EU-Beitrittskandidaten schneller abgelehnt werden könnten. Während dieser Ansatz von der EVP begrüßt wird, lehnen Linke und Grüne ihn grundsätzlich ab. Die SPE schließlich will, dass auch bei Ländern, die als sichere Herkunftsstaaten gelten, spezifische Verfolgungsgründe (etwa wegen der sexuellen Orientierung) weiterhin individuell überprüft werden.

Deutlich größere Einigkeit besteht hingegen darüber, dass Menschenhandel und Schleusertum bekämpft werden sollten: Von der Linken bis zur EKR gibt es keine Gruppierung, die das nicht zum Ziel erklären würde. Streit gibt es allerdings über die dabei angewandten Methoden: So lehnen Grüne und Linke die Operation EUNAVFOR Med, mit der die EU Schlepperboote im Mittelmeer versenkt, als unangemessene „Militarisierung“ der Migrationspolitik ab. Stattdessen fordern sie eine europäische zivile Operation zur Seenotrettung nach Vorbild der italienischen Operation Mare Nostrum.

Einen völlig eigenen Weg geht schließlich die rechtsextreme ENF. Diese fordert nicht nur, beim Schutz der Außengrenzen dem australischen Vorbild maximaler Härte zu folgen, sondern will die Flüchtlingskrise auch zum Anlass nehmen, um die Schengen-Verordnung abzuschaffen und wieder regelmäßige Kontrollen an den nationalen Grenzen der Mitgliedstaaten einzuführen.

Die Dublin-Reform

Jenseits der Debatte über den Schutz der Grenzen stellt sich aber natürlich auch die Frage, wie man mit den Flüchtlingen umgehen soll, die tatsächlich bis nach Europa gelangen. Das große Diskussionsthema ist dabei die Reform der Dublin-Verordnung, die bisher vorsieht, dass für einen Asylantrag in der Regel jeweils derjenige Mitgliedstaat zuständig ist, in dem der Flüchtling zum ersten Mal den Boden der EU erreicht hat. Diese Regelung bedeutet für die Grenzstaaten wie Italien und Griechenland eine unverhältnismäßig große Last und ist deshalb schon länger in der Kritik.

Ende September beschloss der EU-Ministerrat deshalb, 160.000 Asylbewerber aus diesen meistbetroffenen Staaten nach einem bestimmten Schlüssel auf die übrigen Mitgliedstaaten umzuverteilen – in einer Mehrheitsentscheidung gegen die Stimmen der EVP-Regierung in Ungarn und der SPE-Regierungen in Tschechien, der Slowakei und Rumänien. Allerdings handelte es sich dabei nur um eine einmalige Ad-hoc-Maßnahme. Sobald die aktuelle Flüchtlingskrise überwunden ist, würden wieder die alten Regelungen gelten.

Fast alle Parteien wollen die Quote

Unter den europäischen Parteien allerdings besteht weitgehend Konsens darüber, dass das Prinzip einer Umverteilung von Flüchtlingen zwischen den Mitgliedstaaten auf Dauer gestellt werden sollte. Besonders harsche Kritik an den bisherigen Regelungen übt dabei die SPE, die das existierende Dublin-System als „dysfunktional, unfair und unmenschlich“ bewertet und einen „verpflichtenden dauerhaften Ansiedlungs- und Umverteilungsmechanismus“ fordert.

Wie genau dieser Mechanismus aussehen würde, lassen alle Parteien allerdings weitgehend offen. So soll nach Vorstellung von EVP und SPE die Umverteilung wohl auch künftig nicht die Regel sein, sondern nur in Krisensituationen angewandt werden. Die ALDE spricht von einer „ständigen und gerechten Verteilung von Verantwortlichkeit“ in der Union, ohne explizit eine Umsiedlung von Asylbewerbern zu thematisieren. Die Grünen, die schon im März ein Diskussionspapier über Alternativen zum Dublin-System veröffentlicht haben, fordern nun einen „dauerhaften Umverteilungsmechanismus mit […] verpflichtenden Quoten“, ohne dass deutlich würde, ob dieser nur in Krisensituationen oder auch als Regelfall angewandt würde. Die Linke schließlich verweist auch auf das „Recht von Migranten und Flüchtlingen, selbst zu entscheiden, wo sie leben möchten“, ohne dies allerdings zum alleinigen Maßstab bei der Ansiedlung zu machen.

Die einzige Gruppierung, die sich explizit gegen „verbindliche Quoten“ ausspricht, ist die nationalkonservative EKR. Aus ihrer Sicht soll es allenfalls eine „freiwillige Umsiedlung“ von Asylbewerbern geben (wobei sich die Freiwilligkeit auf den Willen der Aufnahmestaaten, nicht der Flüchtlinge bezieht). Ansonsten setzt sie allein auf die „ordnungsgemäße Umsetzung des geltenden EU-Rechts […], einschließlich der Dublin-Verordnung“.

Mehr Rechte oder mehr Pflichten für Asylbewerber?

Mehr Uneinigkeit zwischen den europäischen Parteien gibt es bei der Frage, welche Rechte und Pflichten Asylbewerber in der EU haben sollten. Nach dem Subsidiaritätsprinzip ist dies zwar weitgehend den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen – abgesehen von gewissen Minimalstandards, die alle Länder bei der Durchführung von Asylverfahren beachten müssen. Dennoch äußern sich die europäischen Parteien auch zu diesem Thema, teils um eine Ausweitung der europäischen Regelungen zu fordern, teils um die nationalen Regierungen zum Handeln aufzurufen.

So fordert die SPE eine weitergehende Harmonisierung und Beschleunigung von Asylverfahren, wobei die EU besser als bisher überwachen soll, ob die Mitgliedstaaten die europäischen Mindeststandards tatsächlich einhalten. Außerdem begrüßen die Sozialdemokraten die Aufstockung des europäischen Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds, aus dem unter anderem Maßnahmen zur sozialen Einbindung von Flüchtlingen finanziert werden können, und verlangen von den Mitgliedstaaten, auch selbst mehr Mittel zur Verfügung zu stellen. Im Rahmen einer „effektiven Integrationspolitik“ sollen die Mitgliedstaaten den Flüchtlingen unter anderem Grundrechte wie Bildung, Gesundheit, Wohnungen oder den Zugang zum Arbeitsmarkt garantieren.

Vor allem letzterer Punkt – der Zugang zum Arbeitsmarkt – liegt auch Grünen und Liberalen am Herzen. Sowohl die EGP als auch die ALDE fordern, dass Asylbewerber künftig in allen Mitgliedstaaten von Anfang an das Recht haben sollen, eine Arbeit aufzunehmen.

EVP: Asylbewerber in „EU-Werten“ unterrichten

Die EVP hingegen sieht keinen Bedarf nach einer Ausweitung der Asyl-Mindeststandards. Im Gegenteil betont sie bei der Integrationspolitik vor allem die Bringschuld der Flüchtlinge selbst: Diese hätten „die Pflicht, europäische Werte zu akzeptieren und zu respektieren“. Im Kampf gegen Islamismus und gegen die Entstehung von Parallelgesellschaften will die EVP Integrationskurse für Asylbewerber mit guten Bleibeaussichten einführen, die unter anderem verpflichtenden Sprachunterricht sowie eine „Unterrichtung in EU-Werten“ beinhalten soll. Außerdem wollen die Christdemokraten sicherstellen, dass die Kinder von Asylbewerbern das Recht auf Schulbesuch ausüben können.

Um Anreize für eine „Sekundärmigration“ von Flüchtlingen innerhalb der EU zu vermindern, fordert die EVP ferner, die Sozialleistungen für Asylbewerber europaweit anzugleichen und die Regelungen zum Familiennachzug zu vereinheitlichen. Darüber hinaus sollen Kriegsflüchtlinge künftig nur noch „temporären Schutz“ erhalten, „bis die Lage in ihren Herkunftsländern sicher ist und sie zurückkehren können“.

Langfristig will die EVP sogar eine „komplette Reform des europäischen Asylsystems“, die auch „eine Aktualisierung der existierenden Genfer [Flüchtlings-]Konvention umfassen“ soll. Worin diese „Aktualisierung“ bestehen soll, bleibt dabei unklar. Angesichts der übrigen Forderungen der Partei scheint es allerdings eher unwahrscheinlich, dass damit eine Ausweitung der Rechte von Flüchtlingen gemeint ist.

Außenpolitische Maßnahmen

Recht große Übereinstimmungen zeigen die Parteien schließlich bei dem dritten wichtigen Handlungsfeld im Umgang mit der Flüchtlingskrise, der gemeinsamen Außenpolitik. Vor allem EVP und ALDE fordern eine diplomatische Initiative zur Lösung des Syrien-Konflikts, wobei beide Parteien die USA, Russland, China, die Türkei, Iran und Saudi-Arabien für einen gemeinsamen Friedensplan gewinnen wollen.

EVP und SPE wollen zudem Ländern wie der Türkei, Libanon und Jordanien, die in der Region eine große Anzahl Vertriebene aufnehmen, finanzielle Unterstützung zukommen lassen – ebenso wie der UN-Flüchtlingsbehörde UNHCR und dem Welternährungsprogramm, die in Flüchtlingslagern humanitäre Hilfe leisten. Die Liberalen nennen sogar eine konkrete Zahl für diese zusätzlichen Finanzmittel: Geht es nach der ALDE, sollen die EU und ihre Mitgliedstaaten ihre Beiträge an den UNHCR jeweils verdoppeln.

EVP und SPE beanspruchen eine Führungsrolle in der Debatte

Zusammengefasst zeigt sich zwischen den europäischen Parteien in der Flüchtlingskrise ein recht deutlicher Rechts-Links-Gegensatz: Während die EVP, teilweise sekundiert von der EKR, vor allem auf einen strafferen Schutz der Außengrenzen drängt, wollen SPE, Grüne und Linke mehr legale Zugangswege in die EU schaffen und die Rechte von Asylbewerbern verbessern; die ALDE nimmt eine Mittelposition ein.

Wie sich das auf die konkrete Politik der EU auswirken wird, bleibt abzuwarten – nicht nur weil letztlich jeder Beschluss von einem Kompromiss zwischen EVP und SPE abhängig ist, sondern auch weil in beiden großen Parteien mehrere Mitglieder einen ganz eigenen nationalen Kurs verfolgen. Immerhin aber erheben sowohl die EVP (in einer Pressemitteilung ihres Präsidenten Joseph Daul) als auch die SPE (in ihrer Präsidiumserklärung) den Anspruch, in der europäischen Debatte über die Flüchtlingskrise eine Führungsrolle einzunehmen. Es könnte sich daher durchaus lohnen, auch über ihre Positionen in der Öffentlichkeit zu diskutieren – und nicht immer nur über den neuesten Krach in der deutschen Großen Koalition.

Bild: European Parliament [CC BY-NC-ND 2.0], via Flickr.

2 Kommentare:

  1. Gerald Fix21/11/15 08:47

    dabei auf parteiinterne Demokratie und Transparenz achten müssen.

    Darf ich fragen, ob das eine folgenlose Absichtserklärung ist oder ob Parteien wie die Partij voor de Vrijheid hier Einschränkungen hinnehmen müssen?

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    1. Ich nehme an, die Frage bezieht sich auf diesen Artikel zur Reform des Europawahlrechts.

      Zur Frage selbst: In den Direktwahlakt soll nach dem Entwurf des Parlaments folgender Satz neu eingefügt werden: "Die politischen Parteien, die an der Wahl zum Europäischen Parlament teilnehmen, nominieren ihre Wahlbewerber in einem demokratischen und transparenten Verfahren." Diese Formulierung ist so unbestimmt, dass sie für sich allein nicht unbedingt Folgen nach sich ziehen muss. Allerdings würde sie ein Einfallstor für den EuGH öffnen, um gegebenenfalls in richterlicher Rechtsfortbildung selbst die Standards von innerparteilicher Demokratie und Transparenz zu entwickeln, die die Parteien dann einhalten müssen. Wie weit er dabei gehen würde, muss sich zeigen...

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