- Festung oder Hecke, das ist unter den Parteien der EU bis heute umstritten. Die Quote aber wollen fast alle.
Wenn
in deutschen Medien in den letzten Wochen von einer parteipolitischen
Auseinandersetzung über die Flüchtlingskrise zu lesen war, dann
ging es fast immer um die sogenannten „Transitzonen“. Was
es damit im
Einzelnen auf sich hatte, blieb zwar meistens eher im Vagen. Klar
war aber: Der Streit über die Transitzonen spaltete
die deutsche Große Koalition aus CDU/CSU (EVP) und SPD (SPE) und
schaukelte sich zum großen deutschen Aufregerthema des Monats
Oktober hoch. Bis die Parteien dann vor einigen Tagen einen letztlich
doch
recht unspektakulären Kompromiss erzielten.
Fast
überhaupt keine Rede war in der Öffentlichkeit indessen von den
Positionen der gesamteuropäischen Parteien in der Flüchtlingsfrage – was umso
bemerkenswerter ist, als sich doch eigentlich alle relevanten Akteure
darin einig sind, dass eine Lösung der Krise nur im EU-Rahmen
möglich sein wird. Ob es nun um einen besseren Schutz der
Schengen-Außengrenzen geht, um eine fairere Verteilung der
Asylbewerber zwischen den Mitgliedstaaten oder um neue
Friedensbemühungen in Syrien: All diese Maßnahmen sind (allenfalls)
gesamteuropäisch möglich und damit eher Sache von EVP und SPE als
von CDU und SPD.
Interner
Streit bei den beiden großen Parteien
Dass
die Positionen der europäischen Parteien so wenig präsent sind, hat
natürlich mehrere Ursachen. Zum einen berichten die Medien ganz
generell nur sehr selten über die europäischen Parteien, aus
Gründen, die ich an
anderer Stelle näher beschrieben habe. Was den deutschen
Koalitionsstreit so schlagzeilenträchtig machte, war ja vor allem,
dass sich dabei so schön über
die Zukunft der Regierung Merkel spekulieren ließ: Stürzt sie
oder stürzt sie nicht? Vergleichbare
Dramatik haben die europäischen Parteien nicht zu bieten – sie
können nur auf politische Inhalte Einfluss nehmen, aber kaum auf die
medienwirksamen Personaldebatten.
Zum
zweiten sind allerdings auch die
Parteipositionen selbst in einigen Punkten nicht ganz klar. Dies
liegt zum Teil am Kalender: Oktober/November ist üblicherweise der
Zeitraum, zu dem die europäischen Parteien ihre
Parteitage abhalten, die dieses Jahr natürlich stark vom Thema
Flüchtlingskrise geprägt sind. Im Fall der EVP fand dieser
Parteitag bereits Ende Oktober
statt; die liberale ALDE und die grüne EGP hingegen sind erst in
den nächsten Wochen dran und befinden sich deshalb derzeit noch im
Meinungsbildungsprozess.
Und
schließlich kommt noch hinzu, dass gerade
die beiden großen europäischen Parteien, EVP und SPE, in der
Flüchtlingskrise intern
zerstritten sind. Bei den Christdemokraten ist es das ungarische
Mitglied Fidesz, bei den Sozialdemokraten die slowakische SMER, die
eine deutlich härtere Gangart fordern, als ihre jeweilige
europäische Mutterpartei einzuschlagen bereit ist. Im Vergleich etwa
mit der Griechenlandkrise vor einigen Monaten, in der die
europäischen Parteien recht
klar unterscheidbare Linien vertraten, ist das Bild in der
Flüchtlingsfrage deshalb verschwommener.
Unterschiede
in den Parteipositionen
Trotzdem
ist die Debatte auf europäischer Ebene
inzwischen weit genug gediehen, um bestimmte Unterschiede in den
Parteipositionen erkennen zu können. So hat die EVP auf ihrem
Parteitag im Oktober eine recht
detaillierte Liste mit Forderungen verabschiedet, und auch die
SPE hat ihren Standpunkt in einer Erklärung
des Parteipräsidiums deutlich gemacht. Die Grünen wiederum
veröffentlichten im Vorfeld ihres Parteitags einen Artikel
auf ihrer Homepage, in dem sie teils auf frühere Beschlüsse der
Partei verwiesen.
In
anderen Fällen waren es die Fraktionen im Europäischen Parlament,
die gewissermaßen an Stelle ihrer Partei
eine gemeinsame europäische Position formulierten. So verfasste die
ALDE-Fraktion schon Ende September einen Maßnahmenkatalog,
den sie den nationalen Regierungschefs zu beschließen empfahl.
Bereits Anfang September wiederum verabschiedete das Europäische
Parlament eine Resolution
zur Flüchtlingskrise, in deren Vorfeld fast alle
Einzelfraktionen Anträge mit ihren eigenen Vorschlägen formulierten
– was einen Einblick in die Positionen auch der
nationalkonservativen
EKR, der linken
GUE/NGL oder der rechtsextremen
ENF-Fraktion ermöglicht.
Unterschiedliche
Prioritäten
Wo
aber stehen nun die Parteien in der Flüchtlingskrise? Liest man die
verlinkten Dokumente, so zeigt sich ein erster markanter Unterschied
darin, was die Parteien jeweils als „oberste Priorität“
bezeichnen: Für die EVP ist das „die Sicherheit der EU-Bürger und
der Kampf gegen den Terrorismus“; für die SPE hingegen handelt es
sich bei der Flüchtlingskrise „vor allem um eine humanitäre
Notlage“. Die ALDE wiederum sieht die erste Priorität bei „den
Flüchtlingen in Lagern in Drittstaaten“.
Mit
diesen Schwerpunktsetzungen stecken die drei großen Parteien in
gewisser Weise auch das Spektrum der Maßnahmen-Typen ab, über die
in der Flüchtlingskrise auf europäischer Ebene diskutiert wird.
Erstens handelt es sich dabei um sicherheitspolitische Schritte, um
das europäische Grenzschutzregime zu stärken. Zweitens geht es um
eine Reform der Dublin-Verordnung und andere Maßnahmen, um die
Situation der Flüchtlinge innerhalb von Europa zu entspannen. Und
drittens gibt es Vorschläge, mit außenpolitischen Mitteln dafür zu
sorgen, dass sich die Flüchtlinge gar nicht erst auf den Weg nach
Europa machen.
Rechts-Links-Gegensatz
zum Grenzschutz
Insbesondere
in der Frage des Grenzregimes zeigt sich
dabei ein deutlicher Rechts-Links-Gegensatz auf europäischer Ebene.
So sind sich EVP, ALDE und EKR einig, dass die EU-Grenzschutzagentur
Frontex gestärkt werden soll. Nach Vorstellung
der Christdemokraten soll es unter anderem eine eigenständige
europäische Küstenwache geben; außerdem soll Frontex künftig
stärker operativ tätig sein und zum Beispiel selbst Abschiebungen
durchführen. Gleichzeitig soll die Grenzschutzagentur aber auch
„solidaritätsbasierte
Initiativen aus der Zivilgesellschaft […] kanalisieren und
koordinieren“ –
und
damit künftig
wohl
eng
mit Organisationen wie Pro
Asyl
zusammenarbeiten, bei
denen sie schon heute kaum
Sympathien genießt.
Und
auch sonst hat die EVP eine ganze Reihe an Vorschlägen, wie die
EU-Außengrenzen besser gegen irreguläre
Einwanderung gesichert werden sollen. So wollen die Christdemokraten
(wie auch die EKR) verstärkt darauf achten, dass die
Eurodac-Verordnung
umgesetzt wird, nach der von Asylbewerbern und anderen Migranten die
Fingerabdrücke genommen werden. Außerdem will die EVP das von der
Kommission
vorgeschlagene „Smart
Borders Package“ umsetzen,
das
unter anderem eine Registrierung
sämtlicher
Menschen,
die in die EU ein- oder ausreisen, in
einer europäischen
Datenbank
vorsieht.
EVP:
Registrierzentren
sollen
Flüchtlinge vorsortieren
Des
Weiteren will die EVP
Mitgliedstaaten, die an
Außengrenzen des Schengen-Raums liegen, künftig mehr
EU-Finanzhilfen
für den Grenzschutz zur Verfügung stellen
– aber auch
Vertragsverletzungsverfahren
gegen sie eröffnen,
wenn sie ihren
vertraglichen
Verpflichtungen beim
Schutz der Außengrenzen
nicht nachkommen. Explizit
kritisiert die EVP dabei die
linke griechische sowie die sozialdemokratische italienische
Regierung. Das
konservativ regierte Spanien hingegen beschreibt
die EVP wiederholt als
Vorbild für effektiven Grenzschutz.
Als
weitere Maßnahme, um Flüchtlinge gar nicht erst nach Europa
gelangen zu lassen, schlägt die EVP vor, dass Asylanträge künftig
schon „an der EU-Außengrenze, oder noch besser außerhalb der EU“
gestellt und überprüft werden. Dafür sollen zum einen
Registrierzentren (sogenannte „Hotspots“) in EU-Nachbarstaaten
eingerichtet werden, die möglichst auch schon eine Vorsortierung
zwischen politischen Flüchtlingen und Wirtschaftsmigranten vornehmen
sollen. Zum anderen will die EVP auch „Sicherheitszonen mit
Aufnahme- und Unterbringungszentren sowie Rückansiedlungsprogrammen
[…] möglichst in den Herkunftsländern“ der Flüchtlinge
errichten.
SPE:
Sichere und legale Wege zur Einreise in die EU
Demgegenüber
wollen die linken Parteien vor allem mehr Möglichkeiten zur legalen
Einwanderung schaffen. In deutlichem Gegensatz zur
Sicherheitsrhetorik der EVP betont etwa die SPE, Migration sei „eine
dringend benötige Chance für Europas Zukunft und keine Bedrohung“.
Der Versuch, Menschen auszusperren, fördere letztlich nur die
organisierte Schlepperkriminalität. Notwendig seien deshalb „sichere
und legale Wege […], um europäischen Boden zu erreichen“ –
etwa humanitäre Visa oder erleichterte Regeln zum Familiennachzug.
Ähnliche
Forderungen erheben auch Grüne und Linke, wobei die EGP speziell auf
die Richtlinie
für vorübergehenden Schutz verweist. Diese Richtlinie sieht
vor, dass die Mitgliedstaaten bei einem Massenzustrom von
Vertriebenen in die EU für einen begrenzten Zeitraum ein
vereinfachtes Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels
anwenden. Sie wurde 2001 unter dem Eindruck der Jugoslawien-Kriege
verabschiedet, seitdem aber noch niemals aktiviert.
Auch
die ALDE will, dass Flüchtlinge Asyl oder vorübergehenden Schutz
künftig schon in den von der UN-Flüchtlingsbehörde UNHCR
betriebenen Lagern in Drittstaaten beantragen können, um so die
Gefahren bei der Einreise nach Europa zu vermindern.
Sichere Drittstaaten und Kampf gegen Menschenhandel
Umstritten
ist auch die von
der Kommission vorgeschlagene Einführung einer europäischen
Liste „sicherer Herkunftsstaaten“, durch die insbesondere
Asylanträge von Flüchtlingen aus EU-Beitrittskandidaten schneller
abgelehnt werden könnten. Während dieser Ansatz von der EVP begrüßt
wird, lehnen Linke und Grüne ihn grundsätzlich ab. Die SPE
schließlich will, dass auch bei Ländern, die als sichere
Herkunftsstaaten gelten, spezifische Verfolgungsgründe (etwa wegen
der sexuellen Orientierung) weiterhin individuell überprüft werden.
Deutlich
größere Einigkeit besteht hingegen darüber, dass Menschenhandel
und Schleusertum bekämpft werden sollten: Von der Linken bis zur EKR
gibt es keine Gruppierung, die das nicht zum Ziel erklären würde.
Streit gibt es allerdings über die dabei angewandten Methoden: So
lehnen Grüne und Linke die Operation
EUNAVFOR Med, mit der die EU Schlepperboote im Mittelmeer
versenkt, als unangemessene „Militarisierung“ der
Migrationspolitik ab. Stattdessen fordern sie eine europäische
zivile Operation zur Seenotrettung nach Vorbild der italienischen
Operation
Mare Nostrum.
Einen
völlig eigenen Weg geht schließlich die rechtsextreme ENF. Diese
fordert nicht nur, beim Schutz der Außengrenzen dem australischen
Vorbild maximaler Härte zu folgen, sondern will die
Flüchtlingskrise auch zum Anlass nehmen, um die Schengen-Verordnung
abzuschaffen und wieder regelmäßige Kontrollen an den nationalen
Grenzen der Mitgliedstaaten einzuführen.
Die
Dublin-Reform
Jenseits
der Debatte über den Schutz der Grenzen stellt sich aber
natürlich auch die Frage, wie man mit
den Flüchtlingen umgehen soll,
die tatsächlich bis nach Europa gelangen.
Das große Diskussionsthema ist dabei die Reform der
Dublin-Verordnung,
die bisher vorsieht, dass für einen Asylantrag in der Regel jeweils
derjenige Mitgliedstaat zuständig ist, in dem der Flüchtling zum
ersten Mal den Boden der EU erreicht hat. Diese Regelung bedeutet für
die Grenzstaaten wie Italien und Griechenland eine unverhältnismäßig
große Last und ist deshalb schon
länger in der Kritik.
Ende
September beschloss der EU-Ministerrat deshalb, 160.000 Asylbewerber
aus diesen meistbetroffenen Staaten nach einem bestimmten Schlüssel
auf
die übrigen Mitgliedstaaten umzuverteilen – in einer
Mehrheitsentscheidung
gegen die Stimmen der EVP-Regierung in Ungarn und der SPE-Regierungen
in Tschechien, der Slowakei und Rumänien. Allerdings handelte es
sich dabei nur um eine einmalige
Ad-hoc-Maßnahme. Sobald die aktuelle
Flüchtlingskrise überwunden ist, würden wieder die alten
Regelungen gelten.
Fast
alle Parteien wollen die Quote
Unter
den europäischen Parteien allerdings besteht weitgehend Konsens
darüber, dass das Prinzip einer Umverteilung von Flüchtlingen
zwischen den Mitgliedstaaten auf Dauer gestellt werden sollte.
Besonders harsche Kritik an den bisherigen Regelungen übt dabei die
SPE, die das existierende Dublin-System als „dysfunktional, unfair
und unmenschlich“ bewertet und einen „verpflichtenden dauerhaften
Ansiedlungs- und Umverteilungsmechanismus“ fordert.
Wie
genau dieser Mechanismus aussehen würde, lassen alle Parteien
allerdings weitgehend offen. So soll nach Vorstellung von EVP und SPE
die Umverteilung wohl auch künftig nicht die Regel sein, sondern nur
in Krisensituationen angewandt werden. Die ALDE spricht von einer „ständigen
und
gerechten
Verteilung von Verantwortlichkeit“ in
der Union, ohne
explizit eine
Umsiedlung von Asylbewerbern zu thematisieren. Die
Grünen, die schon im März ein Diskussionspapier
über Alternativen zum Dublin-System veröffentlicht haben,
fordern
nun
einen „dauerhaften
Umverteilungsmechanismus mit […] verpflichtenden Quoten“, ohne
dass deutlich würde, ob dieser nur in Krisensituationen oder auch
als Regelfall angewandt würde. Die Linke schließlich
verweist auch auf das „Recht von Migranten und Flüchtlingen,
selbst zu entscheiden, wo sie leben möchten“, ohne dies allerdings
zum alleinigen Maßstab bei der Ansiedlung zu machen.
Die
einzige Gruppierung, die sich explizit gegen „verbindliche Quoten“
ausspricht, ist die nationalkonservative EKR. Aus ihrer Sicht soll es
allenfalls eine „freiwillige
Umsiedlung“ von
Asylbewerbern
geben (wobei sich die
Freiwilligkeit auf den Willen der Aufnahmestaaten, nicht der
Flüchtlinge bezieht). Ansonsten
setzt sie allein auf die „ordnungsgemäße
Umsetzung des geltenden EU-Rechts […],
einschließlich der Dublin-Verordnung“.
Mehr
Rechte oder mehr Pflichten für Asylbewerber?
Mehr
Uneinigkeit zwischen den
europäischen Parteien gibt
es bei der Frage, welche Rechte und Pflichten Asylbewerber in
der EU haben sollten. Nach
dem Subsidiaritätsprinzip ist dies zwar weitgehend den einzelnen
Mitgliedstaaten überlassen – abgesehen
von gewissen
Minimalstandards, die alle Länder bei der Durchführung
von Asylverfahren beachten müssen. Dennoch
äußern sich die europäischen Parteien auch zu
diesem Thema, teils um eine
Ausweitung der europäischen
Regelungen zu fordern, teils um die nationalen Regierungen zum
Handeln aufzurufen.
So
fordert die SPE eine weitergehende Harmonisierung
und Beschleunigung von Asylverfahren, wobei
die EU besser als bisher überwachen soll, ob die Mitgliedstaaten die
europäischen Mindeststandards tatsächlich einhalten. Außerdem
begrüßen die Sozialdemokraten die
Aufstockung des europäischen
Asyl-,
Migrations- und Integrationsfonds, aus
dem unter anderem Maßnahmen zur sozialen Einbindung
von
Flüchtlingen finanziert werden können, und verlangen
von den Mitgliedstaaten, auch selbst mehr Mittel zur Verfügung zu
stellen. Im
Rahmen einer „effektiven Integrationspolitik“ sollen die
Mitgliedstaaten
den
Flüchtlingen
unter
anderem Grundrechte wie Bildung, Gesundheit, Wohnungen
oder den Zugang zum Arbeitsmarkt garantieren.
Vor
allem letzterer Punkt – der Zugang zum Arbeitsmarkt – liegt auch
Grünen und Liberalen am Herzen. Sowohl die EGP als auch die ALDE
fordern, dass Asylbewerber künftig in allen Mitgliedstaaten von
Anfang an das Recht haben sollen, eine Arbeit aufzunehmen.
EVP:
Asylbewerber in „EU-Werten“ unterrichten
Die
EVP hingegen sieht keinen Bedarf nach einer Ausweitung der
Asyl-Mindeststandards. Im Gegenteil betont sie bei der
Integrationspolitik vor allem die Bringschuld der Flüchtlinge
selbst: Diese hätten „die Pflicht, europäische Werte zu
akzeptieren und zu respektieren“. Im Kampf gegen Islamismus und
gegen die Entstehung von Parallelgesellschaften will die EVP
Integrationskurse für Asylbewerber mit guten Bleibeaussichten
einführen, die unter anderem verpflichtenden Sprachunterricht sowie
eine „Unterrichtung in EU-Werten“ beinhalten soll. Außerdem
wollen die Christdemokraten sicherstellen, dass die Kinder von
Asylbewerbern das Recht auf Schulbesuch ausüben können.
Um
Anreize für eine „Sekundärmigration“ von Flüchtlingen
innerhalb der EU zu vermindern, fordert die EVP ferner, die
Sozialleistungen für Asylbewerber europaweit anzugleichen und die
Regelungen zum Familiennachzug zu vereinheitlichen. Darüber hinaus
sollen Kriegsflüchtlinge künftig nur noch „temporären Schutz“
erhalten, „bis die Lage in ihren Herkunftsländern sicher ist und
sie zurückkehren können“.
Langfristig
will die EVP sogar eine „komplette Reform des europäischen
Asylsystems“, die auch „eine Aktualisierung der existierenden
Genfer
[Flüchtlings-]Konvention umfassen“ soll. Worin diese
„Aktualisierung“ bestehen soll, bleibt dabei unklar. Angesichts
der übrigen Forderungen der Partei scheint es allerdings eher
unwahrscheinlich, dass damit eine Ausweitung der Rechte von
Flüchtlingen gemeint ist.
Außenpolitische
Maßnahmen
Recht
große Übereinstimmungen zeigen die Parteien schließlich bei dem
dritten wichtigen Handlungsfeld im Umgang mit der Flüchtlingskrise,
der gemeinsamen Außenpolitik. Vor allem EVP und ALDE fordern eine
diplomatische Initiative zur Lösung des Syrien-Konflikts, wobei
beide Parteien die USA, Russland, China, die Türkei, Iran und
Saudi-Arabien für einen gemeinsamen Friedensplan gewinnen wollen.
EVP
und SPE wollen zudem Ländern wie der Türkei, Libanon und Jordanien,
die in der Region eine große Anzahl Vertriebene aufnehmen,
finanzielle Unterstützung zukommen lassen – ebenso wie der
UN-Flüchtlingsbehörde UNHCR
und dem Welternährungsprogramm,
die in Flüchtlingslagern humanitäre Hilfe leisten. Die Liberalen
nennen sogar eine konkrete Zahl für diese zusätzlichen
Finanzmittel: Geht es nach der ALDE, sollen die EU und ihre
Mitgliedstaaten ihre Beiträge an den UNHCR jeweils verdoppeln.
EVP
und SPE beanspruchen eine Führungsrolle in der Debatte
Zusammengefasst
zeigt sich zwischen
den europäischen Parteien in der Flüchtlingskrise
ein recht deutlicher Rechts-Links-Gegensatz: Während die EVP,
teilweise
sekundiert von der EKR, vor allem auf einen strafferen
Schutz der Außengrenzen drängt, wollen
SPE, Grüne und Linke mehr legale Zugangswege in die EU schaffen und
die Rechte von Asylbewerbern verbessern;
die
ALDE nimmt eine Mittelposition ein.
Wie
sich das auf die konkrete Politik der EU auswirken wird, bleibt
abzuwarten – nicht nur weil letztlich
jeder Beschluss von einem Kompromiss zwischen EVP und SPE abhängig
ist, sondern auch weil in
beiden großen Parteien mehrere Mitglieder
einen
ganz eigenen
nationalen
Kurs verfolgen. Immerhin
aber erheben sowohl die EVP (in einer Pressemitteilung
ihres Präsidenten Joseph Daul) als auch die SPE (in ihrer
Präsidiumserklärung)
den Anspruch, in der europäischen Debatte über die Flüchtlingskrise
eine Führungsrolle einzunehmen. Es
könnte sich daher durchaus lohnen, auch über ihre Positionen in
der Öffentlichkeit zu diskutieren – und
nicht immer nur über den neuesten Krach in der deutschen Großen
Koalition.
Bild: European Parliament [CC BY-NC-ND 2.0], via Flickr.
dabei auf parteiinterne Demokratie und Transparenz achten müssen.
AntwortenLöschenDarf ich fragen, ob das eine folgenlose Absichtserklärung ist oder ob Parteien wie die Partij voor de Vrijheid hier Einschränkungen hinnehmen müssen?
Ich nehme an, die Frage bezieht sich auf diesen Artikel zur Reform des Europawahlrechts.
LöschenZur Frage selbst: In den Direktwahlakt soll nach dem Entwurf des Parlaments folgender Satz neu eingefügt werden: "Die politischen Parteien, die an der Wahl zum Europäischen Parlament teilnehmen, nominieren ihre Wahlbewerber in einem demokratischen und transparenten Verfahren." Diese Formulierung ist so unbestimmt, dass sie für sich allein nicht unbedingt Folgen nach sich ziehen muss. Allerdings würde sie ein Einfallstor für den EuGH öffnen, um gegebenenfalls in richterlicher Rechtsfortbildung selbst die Standards von innerparteilicher Demokratie und Transparenz zu entwickeln, die die Parteien dann einhalten müssen. Wie weit er dabei gehen würde, muss sich zeigen...